Krebs dominiert die Gesundheitsausgabenentwicklung
Cancer dominates health expenditure growth
Informationen zur Dynamik der Gesundheitsausgaben sind für die Gesundheitspolitik und die Sicherstellung der Versorgung besonders wichtig. In der Krankheitskostenrechnung wird ersichtlich, welche Krankheiten die Kostendynamik längerfristig bestimmen. Im Zeitraum 2015 – 2020 beherrschte Krebs die Gesundheitsausgabenentwicklung. | Information on the dynamics of health expenditure is particularly important for health policy and the financial stability of care. The health accounts by diseases and conditions show which diseases determine the expenditure dynamics. In the period 2015 – 2020, cancer determined the growth of health care expenditure. |
19% der Ausgabensteigerung durch Krebs verursacht
Krebs ist der dominierende Ausgabentreiber im deutschen Gesundheitswesen. Rund 19% der Ausgabensteigerung lassen sich im Zeitraum 2015 bis 2020 auf medizinische Leistungen für die Früherkennung, Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation und Pflege von Neubildungen zurückführen. Mit rund 15% folgen an zweiter Stelle die Ausgabenzuwächse für psychische Erkrankungen. An dritter Stelle stehen die Herz-Kreislauferkrankungen, die 13% der zusätzlichen Ausgabenzunahme ausmachten (vgl. [1]).
Große Unterschiede innerhalb der Krebserkrankungen
Unter den Krebserkrankungen fällt das Ausgabenwachstum der Bösartigen Neubildungen (BN) des lymphatischen, blutbildlichen und verwandten Gewebes (C81-C96) am stärksten auf, gefolgt vom Lungenkrebs und der Atmungsorgane (C30-C39). An dritter Stelle folgen das Mammakarzinom und die bösartigen Neubildungen der weiblichen Genitalorgane. Die bösartigen Neubildungen der Verdauungsorgane liegen beim Ausgabenzuwachs an vierter Stelle. Für eine relative große Gruppe von Krebserkrankungen machen die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes allerdings keine detaillierte Aussage. Hierzu zählen beispielsweise Krebserkrankungen des Gehirns und Nervensystems (C70-C72) sowie der Schilddrüse und sonstige endokrine Erkrankungen (C73-C75), die in der Abbildung als „Sonstige Bösartige Neubildungen“ subsummiert werden.
Abgesehen von den Neubildungen bei weiblichen Geschlechtsorganen sind die Zuwächse bei den Männern stets größer als bei den Frauen. Bei den sonstigen Neubildungen ist das Verhältnis nahezu ausgeglichen.
Langfristige Entwicklung
Auch in der längeren Vergangenheit zeigte sich Krebs bereits als Ausgabentreiber. Im Jahr 1994 waren Neubildungen (bös- und gutartige) für etwa 5% der direkten Krankheitskosten verantwortlich [2]. Heute ist der Anteil mit 10,1% (davon 9% BN) doppelt so hoch. Damit stellt sich die Frage: „Was sind Treiber dieser Entwicklung?“ Nach dem Arzneiverordnungsreport waren Onkologika im Jahr 2015 mit 6,0 Mio. Verordnungen die umsatzstärkste Indikationsgruppe. Im Jahr 2020 wurden 8,1 Mio. Onkologika für GKV-Versicherte verordnet, also rund ein Drittel mehr als noch 2015.
Fortschritte in der Arzneimitteltherapie
Die besondere Bedeutung der Arzneimittel bei der Behandlung von Krebserkrankungen wird in den Ausgabenzuwächsen für die verschiedenen Leistungen deutlich. Von den Steigerungen der Apothekenausgaben werden nach der Krankheitskostenrechnung zwei Drittel den bösartigen Neubildungen zugerechnet. Hier ist jedoch auch der rein statistisch verursachte Anstieg durch die Verschiebungen von Chemotherapien im Kontenrahmen der GKV (von Krankenhäusern in den Bereich Arzneimittel) eingerechnet.
Auf die Krankenhäuser fällt erwartungsgemäß die größte Last in der Behandlung der Krebserkrankungen. Die Ausgabenzuwächse im Zeitraum 2015-2020 sind hier aber mit 3,8 Mrd. € geringer als bei den Arzneimittelausgaben mit 7,4 Mrd. €. Für ambulante Pflegeleistungen von Krebserkrankten und für die häusliche Betreuung durch Angehörige wurden 2,5 Mrd. €, für die Behandlung von Krebserkrankungen durch Arztpraxen rund 1,0 Mrd. zusätzlich aufgewendet.
Mit der Senkung der Sterblichkeit durch Krebserkrankungen haben sich für viele Menschen neue Lebensperspektiven ergeben. Die Relation von Kosten und Nutzen der Arzneimittel für Krebsbehandlungen (Onkologika) wird dennoch derzeit kontrovers diskutiert. So werden die Preise für neue Onkologika, gemessen an den Forschungs- und Entwicklungskosten, als zu hoch eingestuft [3]. Dem widerspricht jedoch die Pharmaindustrie [4]. Die unterdurchschnittliche Kapitalrendite der pharmazeutischen Industrie deutet nach Untersuchungen von BASYS nicht auf zu hohe Gewinne pharmazeutischer Unternehmen in Deutschland hin [5].
Ausblick
Für die Krankheitskostenrechnung gibt es seit dem 1. Oktober 2021 eine gesetzliche Grundlage durch das Gesundheitsausgaben- und -personalstatistikgesetz (GAPStatG). Ihre Ergebnisse ermöglichen eine zusätzliche Perspektive auf die Dynamik der Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen und auf die Kosten der Gesundheitsinterventionen. Auch wenn die Berechnungen hinsichtlich der indirekten Kosten unvollständig sind, bzw. gerade weil die Ergebnisse nicht immer unmittelbar einsichtig sind, stellt sie ein wichtiges diagnostisches Instrument der Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen dar. Insbesondere die tiefergehende Aufschlüsselung der Krankheitsbilder verdeutlicht die Dynamik. Es wäre hilfreich, wenn diese Fortschreibung laufend durchgeführt und Preis- und Mengeneffekte herausgestellt würden [6], damit die Ergebnisse für die Praxis genutzt werden können.
Referenzen
[1] Statistisches Bundesamt (2022), Krankheitskosten, Genesis-online.
[2] Schneider M. (1999), Kosten nach Krankheitsarten, in Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 7/1999, S:584-591.
[3] Ludwig W-D, Vokinger, K-N (2021), Hochpreisigkeit bei Onkologika, in: Schröder et al. (Hrsg.), Arzneimittelkompass 2021, Spinger, S. 79-92.
[4] vfa (2022), Erfolge im Kampf gegen Krebs; https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/artikel-arzneimittel-forschung/erfolge-im-kampf-gegen-krebs.html, abgerufen am 20.9.2022.
[5] BASYS (2022), Gesamtwirtschaftliche und gesundheitswirtschaftliche Auswirkungen der Rabatte auf pharmazeutische Produkte, Gutachten für die Pharmainitiative Bayern, https://www.pharmainitiative-bayern.de/downloads/, Augsburg.
[6] Eurostat (2016), HEDIC Health Expenditures by Diseases and Conditions. Statistical Working Papers. Luxembourg: European Commission.
Autoren
Markus Schneider, Thomas Krauss
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