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Verlorene Lebensjahre und Todesursachen in Bayern

Potential Years of Life Lost and Causes of Death in Bavaria

Die vorzeitige Sterblichkeit, gemessen an der sogenannten PYLL-Rate, zeigt bei fast allen Todesursachen einen Rückgang im Zeitraum 1998 – 2019, und zwar bei beiden Geschlechtern. Als Todesursache mit der größten assoziierten PYLL-Rate stellen sich die Bösartigen Neubildungen heraus, auch hier für beide Geschlechter grob annähernd im gleichen Umfang. Bei den weiteren Todesursachen liegen mehr oder weniger große geschlechtsspezifische Unterschiede vor, bis etwa zum vierfachen Wert für Männer bei psychischen und anderen Störungen des Verhaltens. Premature mortality, measured by the so-called PYLL rate, decreased for almost all causes of death in the period 1998 – 2019. This applied to both sexes. Malignant neoplasms caused the highest associated PYLL rate with roughly the same effect in both sexes. The other causes of death show more or less large premature mortality rates by gender ranging nearly to a quadruple for males in the case of psychic and other behaviour disorders.

PYLL-Rate – ein Maß der vorzeitigen Sterblichkeit

Die Rate der potentiell verlorenen Lebensjahre (PYLL – potential years of life lost rate) dient der Messung der vorzeitigen Sterblichkeit einer Bevölkerung. Mit der PYLL-Rate wird der Verlust an Lebensjahren vor einem jeweiligen Sterbealter von 70 Jahren gemessen, bezogen auf die Durchschnittsbevölkerung unter 70 Jahren [1]. In [2] wurden bereits die zeitlichen und regionalen Unterschiede beschrieben. Diese Analyse wird nun um den Beitrag der Todesursachen zur Frühsterblichkeit erweitert.

Für den Zeitraum 1998 bis 2019 wurde der vorzeitige Verlust an Lebensjahren insgesamt und nach folgenden Gruppen von Todesursachen untersucht:

Die Analyse ist auf Bayern begrenzt. Zugrunde gelegt sind Zahlen des Informationssystems der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Die Methodik unterscheidet sich nicht von der in [2] beschriebenen; auch die Altersstandardisierung erfolgt wieder nach der sogenannten alten Europabevölkerung [3].

Abb. 1: Geschlechts- und Todesursachenspezifische PYLL-Rate in Bayern, 2006 - 2019

Abb. 1: Geschlechts- und Todesursachenspezifische PYLL-Rate in Bayern, 2006 - 2019

Unterschiede in Bayern und Deutschland

Die PYLL-Rate Bayerns liegt durchgängig niedriger als in Deutschland insgesamt [4]. Der Abstand von Bayern zu Deutschland hat sich im Beobachtungszeitraum vergrößert.

Geschlechtsunterschiede bei der Mortalität in Bayern

Insgesamt ist die PYLL-Rate bei Männern fast doppelt so hoch wie bei Frauen. Der Unterschied hat sich in den letzten beiden Dekaden jedoch verringert. Zu dieser Annäherung haben verschiedene Faktoren beigetragen. Auffällig ist der starke Rückgang der vorzeitigen Sterblichkeit in den drei Krankheitsgruppen Bösartige Neubildungen, Kreislauferkrankungen und Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität. Bei Männern tragen diese drei Krankheitsgruppen zu 76% des Rückgangs der PYLL-Rate bei, bei Frauen sogar zu 78%. Innerhalb dieser Todesursachen gibt es jedoch deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede.

Neubildungen

Risikovermeidung (etwa durch Aufgabe des Rauchens) oder verbesserte Behandlung von bösartigen Neubildungen tragen bei Frauen zu etwa einem Drittel des Rückgangs der vorzeitigen Sterblichkeit, bei Männern zu etwa einem Viertel bei. Durch das höhere Ausgangsniveau bei Männern hat sich allerdings bei ihnen über den Beobachtungszeitraum eine fast doppelt so hohe Reduktion der verlorenen Lebensjahre durch Krebs ergeben als bei Frauen, so dass die PYLL-Raten beider Geschlechter nun fast auf dem gleichen Niveau liegen.

Kreislauferkrankungen

Erkrankungen des Kreislaufsystems bleiben die häufigste Todesursache. Sie betreffen aber zunehmend alte und hochbetagte Menschen. Prävention und verbesserte medizinische Versorgung dieser Krankheitsgruppe haben bei Männern zu 27% und bei Frauen zu 22% des Absinkens der PYLL-Rate beigetragen. Mit einem Faktor von 2,6 gibt es bei den Herzkreislauferkrankungen auch weiterhin große Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Weitere Todesursachen

Bei den weiteren Todesursachen weisen die Männer in der Regel deutlich höhere Lebensjahrverluste auf als die Frauen, am extremsten bei den Äußeren Ursachen mit dem 3,6-fachen sowie bei den Psychischen und anderen Verhaltensstörungen mit dem Faktor 2,7. Erstere Gruppe umfasst insbesondere Todesfälle durch Unfälle, die zweite Gruppe Todesfälle durch Suchterkrankungen.

Ausblick

Insbesondere bei den Männern ist in Bayern die PYLL-Rate im Zeitraum 2015 bis 2019 weiter deutlich gesunken. Ob diese günstige Entwicklung auch in den Pandemiejahren 2020 und 2021 anhält, ist eine offene Frage, die weitere Beobachtung verlangt. Eine naive Extrapolation der Werte aus den letzten fünf Jahren hätte in [2] die Erwartung dauerhafter Stagnation erzeugt, die aber glücklicherweise nicht eingetreten ist.

Zwar ist als direkte Pandemiefolge keine Verschlechterung der PYLL-Rate zu erwarten, weil die Sterblichkeit jüngerer Personen durch die Pandemie kaum betroffen ist, indirekte Effekte lassen sich aber nicht ausschließen.

Referenzen

[1] Romeder JM, McWhinnie JR., Potential years of life lost between ages 1 and 70: an indicator of premature mortality for health planning. Int J Epidemiol. 1977;6:143–51.

[2] Brecht JG, Krauss T, Schneider M., Vorzeitige Sterblichkeit in Deutschland stagniert nach starkem Rückgang, BASYS aktuell, 1. Okt. 2018.

[3] Waterhouse JAH, Correa P, Muir CS, Powell J, eds., Cancer incidence in five continents, Volume III, IARC Scientific Publication No. 15; Lyon: IARC, 1976.

[4] Destatis, Vorzeitige Sterblichkeit (Anzahl, je 100.000 Einwohner, verlorene Lebensjahre - mit/ohne Altersstandardisierung, Tod unter 65/70 Jahren, www.gbe-bund.de.

[5] Bayerisches Landesamt für Statistik, Covid-19 in Bayern dritthäufigste Todesursache während der ersten Welle 2020, Pressemitteilung vom 8. Juli 2021, www.statistik.bayern.de.


Autoren
Josef Georg Brecht, Thomas Krauss, Markus Schneider

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