BASYS Logo  

13. Jahrgang

Deutsche Ausgabe

August 1998

  Inhalt:

Neue Ausgabe: Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich
Gesundheitsreformen in Mittel- und Osteuropa und EU-Erweiterung
Qualitätseffekte der Pflegeversicherung

Neue Ausgabe: Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich

Für den Zeitraum 1980 bis 1994 schneidet das westdeutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich nach Schweden, Luxemburg und Frankreich besonders gut ab. In diesem Zeitraum stieg in Westdeutschland die Lebenserwartung bei Geburt um 3,3 Jahre auf durchschnittlich 76,9 Jahre. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf erhöhten sich um 108%. In der Europäischen Union nahmen die Ausgaben vergleichsweise um 124%, die Lebenserwartung um 3,1 Jahre auf 77,3 Jahre zu.

Neben einer Analyse der wichtigsten Eckwerte von achtzehn Gesundheitssystemen werden in der neuesten Ausgabe auch für die Jahre 1993 und 1997 die Zuzahlungs- und Befreiungsregelungen in elf ausgewählten Ländern (differenziert nach Leistungsbereichen) ausführlich behandelt.

Internationaler Trend zu höherer Zuzahlung?

Zuzahlungen, hier definiert als direkte finanzielle Beteiligung bei der persönlichen Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, sind in allen Ländern bei Zahnersatz sowie Arznei- und Hilfsmitteln anzutreffen. Bedingt durch die Vielzahl der Zuzahlungsregelungen in den einzelnen Ländern unterscheidet man vier Grundmuster:

Um die Selbstbeteiligung sozial verträglich zu gestalten, gibt es in allen Ländern Befreiungsregelungen.

Wie auch in Kanada und Großbritannien gibt es in Deutschland keinerlei Zuzahlung in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Auch die konservierend-chirurgische Zahnbehandlung ist in Deutschland, ähnlich wie in den Niederlanden, zuzahlungsfrei.

In Kanada, der Schweiz, den Niederlanden und den USA ist Zahnersatz beispielsweise nicht im Leistungskatalog enthalten; auch in Belgien und Frankreich müssen Patienten festsitzenden Zahnersatz voll übernehmen. Bei zahnärztlichen Leistungen und in der Kieferorthopädie läßt sich zwischen 1993 und 1997 in fast allen Ländern ein hohes oder erhöhtes Niveau der Zuzahlungen feststellen. Auch im Krankenhaussektor wurden bestehende Zuzahlungen erhöht, in den Niederlanden und der Schweiz neu eingeführt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß zwischen 1993 und 1997 in allen Ländern Zuzahlungserhöungen stattfanden. Die Bundesrepublik Deutschland zählt auch nach den Erhöhungen von 1997 zu den Ländern mit niedrigem Zuzahlungsniveau.

Umfangreiche Tabellen

Die neue Ausgabe „Übersichten 1997” enthält wiederum umfangreiche Tabellen zu den Bereichen Demographie, gesundheitliche Situation, Finanzierung und Ausgaben des Gesundheitswesens, Leistungsinanspruchnahme, Ressourcen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die Daten werden für die alten und neuen Länder Deutschlands jeweils getrennt ausgewiesen, so daß längerfristige Vergleiche hinsichtlich der gesundheitlichen Situation, Versorgung, Effizienz und Finanzierung ermöglicht werden.

Das Buch „Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich - Übersichten 1997” ist ab sofort bei BASYS für DM 49,-- plus Versandkostenanteil oder über den Buchhandel zu beziehen (siehe auch das Verlagsangebot).

Gesundheitsreformen in Mittel- und Osteuropa und EU-Erweiterung

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks leiteten alle Länder Mittel- und Osteuropas tiefgreifende Reformen ihres Gesundheitswesens ein. Mit der Erweiterung der Europäischen Union stellt sich die Frage: Wie steht es um das Gesundheitswesen dieser Länder? Sind weitere Reformen im Hinblick auf den Beitritt erforderlich? Welche gesundheitspolitischen Folgen ergeben sich aus der Erweiterung, insbesondere aus dem freien Verkehr von Gütern, Personen, Dienstleistungen und Kapital? Was sind mögliche Kriterien für die Bewertung des Gesundheitswesens im Hinblick auf die Erweiterung?

Diese Fragen waren Gegenstand einer europäischen Consensus-Konferenz in Brüssel vom 24. bis 26. Mai 1998. Teilnehmer aus 27 Ländern (12 Phare-Länder plus 15 EU-Mitgliedsstaaten) sprachen sich für einen intensiveren Informationsaustausch über die Reformen zwischen Ost und West aus.

Integration der Märkte

Die ökonomische Integration über Märkte ist Voraussetzung für die politische Erweiterung. Einem Beschluß des Europäischen Rates vom Juni 1993 in Kopenhagen folgend erfordert die Mitgliedschaft in der Europäischen Union die Existenz einer funktionierenden Marktwirtschaft wie auch die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb der Europäischen Union standzuhalten. Nicht nur die sogenannten „vier Freiheiten” (freier Verkehr von Gütern, Personen, Dienstleistungen und Kapital) sind zu verwirklichen, sondern auch die gemeinsamen Prinzipien der Union sind zu befolgen und deren Anwendung ist zu gewährleisten. Im Hinblick auf das Gesundheitswesen betreffen diese zum einen die Förderung der sozialen Sicherheit, Public Health oder auch den Umwelt- und Verbraucherschutz, zum anderen den Warenverkehr medizinischer Produkte, die Absicherung bei grenzüberschreitender medizinischer Leistungsinanspruchnahme und die Anerkennung der medizinischen Berufsausbildung.

Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme Mittel- und Osteuropas ist es entscheidend, sich auf jene Elemente zu konzentrieren, die im Hinblick auf die Europäische Integration wichtig sind. Hinsichtlich der ökonomischen und sozialen Integration ist der Blick auf die europäischen Normen entscheidend.

„Acquis communitaire”

Obgleich im Hinblick auf die Organisation der Gesundheitsversorgung, der Finanzierung und Leistungserbringung innerhalb der EU das Subsidiaritätsprinzip gilt und alle Mitgliedsländer ihr Gesundheitswesen unterschiedlich organisiert haben, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Dieser sogenannte „acquis communitaire” bezeichnet die gesetzlichen und sozialen Errungenschaften der Gemeinschaft.

Gesundheitsausgaben

In vielen Ländern Mittel- und Osteuropas wurde eine soziale Krankenversicherung mit neuen, inzwischen funktionierenden Strukturen der Finanzierung und Ausgabenverteilung eingeführt. Trotz des Drucks der Weltmärkte, der internationalen Preise und des Nachfragesogs nach westlichen Technologien gelang es den meisten Ländern, ihre Gesundheitsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu stabilisieren. Nichtsdestotrotz läßt das Niveau der Gesundheitsausgaben dieser Länder die Frage aufkommen, wie sie EU-Standards erreichen können.

Herausforderungen der Zukunft

In den letzten Jahren sind die Unterschiede in den Lebensverhältnissen und der gesundheitlichen Situation in Mittel- und Osteuropa ungleicher geworden. Daten der WHO und nationaler Statistiken zeigen sehr unterschiedliche Entwicklungen hinsichtlich der Lebenserwartung. Eine der größten Herausforderungen ist es deshalb, die zunehmenden Unterschiede im Gesundheits- und Einkommensniveau in Mittel- und Osteuropa in den Griff zu bekommen.

Bruttoinlandsprodukt

Bisher lag der Schwerpunkt der europäischen Unterstützungsprogramme auf der Entwicklung gesundheitspolitischer Maßnahmen, von Gesetzesänderungen, Finanzreformen und der Ausbildung. Wenn man bedenkt, daß die Gesundheitsreformen in allen EU-Ländern einen kontinuierlichen und langfristigen Prozeß bedeuten, sollten die folgenden Punkte für alle mittel- und osteuropäischen Länder im Hinblick auf den EU-Beitritt Beachtung finden:

Der Konferenzbericht ist in englischer, französischer und deutscher Sprache erhältlich bei:

Consensus II
Rue de Stalle 96
B-1180 Bruxelles
Tel.: 0032/2-333 5295
Fax: 0032/2-333 5296

Qualitätseffekte der Pflegeversicherung

Mit Einführung der Pflegeversicherung haben sich im Pflegebereich weitreichende Veränderungen ergeben. Erste Tendenzen zeigten sich vor allem in der Änderung der Personalstruktur. Die Zunahme von Teilzeitkräften mit und ohne Festanstellung und geringfügig Beschäftigten sind erste Signale. Dieser Trend setzt sich nach Aussagen der Träger ambulanter Pflegeeinrichtungen fort, ebenso wie der Abbau von examiniertem Fachpersonal, obgleich der Gesetzgeber Maßnahmen zur Qualitätssicherung fordert.

Nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches (SGB XI) muß für jeden Dienst eine examinierte Pflegekraft als Leitung und für die meisten (Kassen)Leistungen zur Häuslichen Pflege vorgehalten werden. Mit der Diskussion der neuen „kleinen Behandlungspflege” sollen Leistungsabgrenzungen geschaffen werden, die bisher bezahlte Leistungen in die Hände von Laien legen (können).

Kundenorientierung

Durch die Öffnung des Pflegemarktes nahm die Zahl privater Pflegeanbieter zu. Der Nachfrageüberhang nach Pflegeleistungen nahm als Folge ab. Die Kundenorientierung, die vor Einführung der Pflegeversicherung eher vernachlässigt werden konnte, gewann somit bei den ambulanten Diensten und ihren Trägern, v.a. im frei gemeinnützigen Anbieterspektrum, an Bedeutung. Des weiteren erfordern die Vorgaben (aber auch die Leistungspalette) des Pflege-Versicherungsgesetzes eine Umorientierung. Qualitätssicherungsmaßnahmen, kostendeckendes Arbeiten bei gedeckelter Finanzierung und Vergütungsregelungen nach dem Modulsystem sind nur einige Stichworte hierfür.

Die Kundenorientierung ist zeit- und kostenintensiv. Pflegeanbieter werben nun um Kunden, mit dem Risiko, eventuell keinen Vertrag abzuschließen. Sie beraten sie während des Pflegeprozesses mit dem Wissen, daß diese Leistungen nicht zwingend abrechenbar sind.

Kooperationen

Verbindliche Kooperationen zwischen den am Pflegegeschehen beteiligten Akteuren sind nicht per se einzufordern. Zwischen den verschiedenen Berufsgruppen (Ärzte und Pflegepersonal) zeigen sich unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit den Patienten/Klienten.

Durch die gedeckelten Versicherungsleistungen (SGB XI) und das Jonglieren der Krankenkassen mit Ausgabenüberschreitungen und politisch vorgegebenen Beitragssatzrestriktionen läßt sich hier zudem eine steigende Verschiebepraxis erkennen. Die Sozialhilfe, als Leistungsträger explizit nachrangig eingestuft, hält sich bedeckt und verweist auf die erstgenannten Kostenträger. Für die Pflegedienste heißt dies oftmals eine Vorfinanzierung für die Klientel. Unter anderem dadurch geraten die Pflegedienste zunehmend in die Rolle der verwaltungsmäßigen Fürsprecher ihrer Klientel.

Resümee

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Pflegeversicherung trotz der vorgesehenen (und großteils auch eingehaltenen) Qualitätskriterien sowie Verbesserungen in der Versorgung die Qualitätsfrage nicht gelöst hat. Deshalb sollten neben der Konzentration auf körperliche Probleme die Ganzheitlichkeit der Pflege und die Individualität der Pflegebedürftigen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen stärkere Berücksichtigung finden.

Das Buch "Ambulante Pflegedienste im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit, Qualität und Kundenorientierung" ist bei BASYS für DM 29,-- plus Versandkostenanteil oder über den Buchhandel zu beziehen (siehe auch das Verlagsangebot ).